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Wachstum durch Vielfalt

Gärtnerin Marianne Ganger aus Wien-Aspern berichtet, wie aus einer einst traditionellen Gemüseproduktion eine „Erlebnisgärtnerei“ mit hoher Kundenfrequenz geworden ist. / Hans Maad
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© BZ/Maad / Mitte April, wenn die aus Stecklingen gezogenen Topfpflanzen zu blühen beginnen, ist die schönste Zeit im Gewächshaus: Marianne Ganger (r.) mit Tochter Marianne, Schwiegersohn Daniel und Enkelsohn Gabriel.
Die Grundidee unseres Betriebes ist es, als Gärtner nahe am Kunden zu sein und die Vielfalt hochzuhalten. Wir wollen unsere Arbeit möglichst greifbar und erlebbar machen. Dies setzen wir mit unserem Ab Hof-Laden, unseren zahlreichen Sorten, Betriebsführungen und Workshops in die Tat um. Wie gut die Gärtnerfamilie Ganger in Wien Aspern dieses Leitbild lebt, das belegt das große Kundeninteresse.

Zirkus, Kürbisfest und Fermentations-Seminar

Standardprogramm am Betrieb ist neben dem täglich geöffneten Hofladen der bis zu zweimal monatlich stattfindende Bauernmarkt. Dazu kommen besondere saisonale Aktivitäten wie Genuss-Feste im Frühling und Herbst, ein Kürbisfest, eine Adventausstellung oder ein Nikolaus- Nachmittag. Heuer gibt es sogar auch wieder ein mehrtägiges Gastspiel des Circus Dimitri („Der kleinste Zirkus der Welt“).

Die Bewertungen im Web sind mit 4,7 von fünf Punkten ausgezeichnet, auf facebook gibt es Hunderte „interessierte Personen“ an Aktivitäten wie dem „Blumen-Saisonbeginn“, einem „Fermentier-Workshop mit Wolfgang Zemanek“ oder einem „Osterbackkurs mit Bäckermeister Thomas Huber“ in der Ganger’schen Seminarküche.

Eine Kundin auf Google: „Es ist immer wieder eine Freude, bei Gangers einzukaufen. Regionale Ware in dieser Frische angeboten zu bekommen, ist phänomenal. Bei Fragen ist man stets um kompetente Auskunft bemüht. Vielen Dank Familie Ganger!

Solche Rückmeldungen sind für Marianne Ganger (56) die überzeugende Bestätigung, dass der gemeinsam mit ihrem Mann Franz eingeschlagene Weg in Richtung Endkundenverkauf richtig war.

Einst Donau-Au, heute Großstadt

Die Geschichte der Gärtnerei Ganger reicht zurück bis in das Jahr 1898. Franz Gangers aus dem Waldviertel stammende Vorfahren haben sich damals auf den im Zuge der Donauregulierung frei gewordenen, sandigen Böden des Überschwemmungsgebiets als Gemüsegärtner angesiedelt. Marianne: „Das war Schwerstarbeit.“ Sie selbst stammt ebenfalls aus einer Gärtnerfamilie, kam aber erst wieder durch die Heirat mit Franz in den Gartenbau zurück.

Es war mehr ein Gefühl als eine gezielte Strategie

Zunächst wurde der Betrieb in den gewohnten Bahnen geführt, als Gemüsegärtnerei mit einem so nebenbei laufenden Ab Hof-Verkauf. Ab dem EUBeitritt wurden aber die wirtschaftlichen Bedingungen für den Gemüsebau zunehmend schwieriger. Die Devise „Wachsen oder Weichen“ begann auch in dieser Sparte zu greifen. Die Antwort der Familie Ganger auf diese Entwicklung war die verstärkte Ausrichtung auf den Direktverkauf. Marianne: „Das hat sich nach und nach ergeben. Das war eher ein Bauchgefühl.“ Etwa ab dem Jahr 2004 hat sie begonnen, die Direktvermarktung professioneller anzugehen. Am Beginn standen ein Kurs in der Landwirtschaftskammer NÖ und die Zertifizierung als „Gutes vom Bauernhof“-Betrieb. Marianne: „Das war sehr wertvoll. Die Kontakte zu den Berufskollegen, die ich damals kennengelernt habe, sind bis heute aufrecht.“ Bei den Bauernmärkten am Betrieb sind sämtliche Anbieter ebenfalls unter der Marke zertifiziert.

Durch die Hereinnahme von Drittanbietern, beispielsweise mit Fleisch- und Milchprodukten, Wein und Säften gelingt es, das Sortiment zu verbreitern und für den Wocheneinkauf attraktiv zu machen. Das Kundeninteresse bestätigt den Erfolg dieser Ausrichtung.

Die eigene Produktion ist die größte Stärke

Marianne: „Die Kombination aus eigener Produktion und Direktverkauf ist genau unsere Stärke.“ Vor allem die Qualität der Pflanzen und der Produkte aus der eigenen Gärtnerei sei das Unterscheidungsmerkmal zur Uniformität der Ware in der Umgebung des Betriebs allesamt zu findenden Gartencentern der großen Handelskonzerne. Die Kunden wüssten sehr genau, wo welches Produkt wie viel koste. Marianne: „Den Preiswettbewerb können wir nicht gewinnen, aber wir gewinnen den Qualitätswettbewerb.“

Der Einsatz, den Familie Ganger für diese Betriebsform leistet, ist so beachtlich wie gut organisiert. Marianne: „Mein Mann Franz und Schwiegersohn Daniel sind zuständig für die Technik und die Kulturführung, ich mache den Bereich Balkon- und Gartenblumen, und meine Tochter kümmert sich um die Vielfalt.“ In Summe 20 Mitarbeiter sind in der Gärtnerei und all ihren Diversifizierungszweigen beschäftigt, fünf Lehrlinge stehen in Ausbildung. Der Aufwand lohnt, denn nach achtjähriger Anlauf- und Planungszeit konnte im Vorjahr ein neues Verkaufsgebäude in umweltbewusster Holzriegelbauweise errichtet und eröffnet werden. Es bedurfte jahrelanger Geduld und Hartnäckigkeit, um von der Behörde die passende Baubewilligung am Standort zu erhalten.

Eine Gärtnerei, nur fünf Minuten fußläufig von der nächsten U-Bahn-Station entfernt, mit einer riesigen Spedition und dem Bundesrealgymnasium Contiweg als unmittelbare Grundstücksnachbarn sowie kaum noch Gartenbau und Landwirtschaft in der näheren Umgebung ist ganz sicher eine Besonderheit in der Stadtentwicklung. Marianne: „Mit unserer grünen Insel schwimmen wir gegen den Strom. Abwandern kommt für uns nicht infrage.“ Kaum jemand setze wirksame Aktivitäten gegen all den Beton in der Umgebung, meint die Gärtnerin. Ihre Familie werde dem eingeschlagenen Weg jedenfalls auch weiterhin treu bleiben.
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