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Wo eine Tür zufällt, geht eine andere auf

Diversifizierung ist für viele Bäuerinnen in Österreich kein Fremdwort mehr. In einer Studie wurde erhoben, wie es etwa mit Ab Hof-Verkauf, Schule am Bauernhof oder Dienstleistungen über den Maschinenring gelingt, das betriebliche Einkommen zu verbessern. / Hans Maad
Betreiben Sie einen Ab Hof-Verkauf oder eine Buschenschank? Bieten Sie Urlaub am Bauernhof oder Schule am Bauernhof an? Sind Sie Dienstleister über den Maschinenring? Wenn Sie auf eine dieser Fragen mit „Ja“ antworten können, dann hat der Begriff „Diversifizierung“ für Sie schon eine konkrete Bedeutung. In wissenschaftlicher Ausdrucksweise handelt es sich dabei um „eine Strategie, die über das klassische Geschäftsmodell der Land- und Forstwirtschaft hinausgeht und betriebliche Ressourcen aktiv mit dem Ziel nutzt, eine höhere Wertschöpfung für den Unternehmerhaushalt zu erzielen.“

Direktvermarktung und Maschinenring

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© Agrarfoto.Com (2) /Fotolia.com – Grafikplusfoto / Diversifizierung bessert das Einkommen des Unternehmerhaushalts auf, erfordert aber auch einen deutlich höheren Arbeitseinsatz.
Um die Bedeutung der Diversifizierung für die bäuerlichen Betriebe zu ergründen, haben das Ländliche Fortbildungsinstitut und die Bäuerinnen Österreich eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse nun vorliegen (siehe Kasten). Das Feld der Diversifizierung ist ein sehr weites. Neben den bereits genannten Beispielen zählt auch die Tätigkeit als Seminarbäuerin zur Diversifizierung genauso wie betriebsbezogene soziale Dienstleistungen, z. B. im Rahmen von Green Care oder der Betrieb von Biogas- oder Hackgutanlagen und auch Schnitt und Verarbeitung von Holz aus dem eigenen Wald. Tätigkeiten wie reine Lohnarbeit oder Nebenerwerb fallen nicht unter Diversifizierung, weil hier die Betriebsbezogenheit fehlt. Die in Österreich mit Abstand am wichtigsten Zweige der Diversifizierung sind laut Studie die Direktvermarktung, Tätigkeiten über den Maschinenring einschließlich MR-Service und die Zimmervermietung im Rahmen von Urlaub am Bauernhof. Fragt man nach der Bedeutung der Diversifizierung für das Einkommen, so wird man überblicksweise in den Buchführungsergebnissen fündig (Werte 2017).

Im Mittel rund 10.000 Euro mehr Einkommen

Demnach wurde im Bundesmittel über alle Sparten der Diversifizierung ein Ertrag von 9.921 Euro (exkl. USt.) erwirtschaftet. Dies entspricht einem Anteil von 9,3 % am Ertrag insgesamt.

Auf die Sparte Direktvermarktung (Urprodukte und be-/verarbeitete Produkte) entfielen 41,6 % der gesamten Erlöse, auf Transport- und Maschinenleistungen 21,6 % und auf Urlaub am Bauernhof, Heuriger und Buschenschank je ca. 15 %. Zu beachten ist, dass Diversifizierung typischerweise in Dauerkulturbetrieben und hier speziell im Weinbau zu finden ist. Seltener eine Rolle spielt Diversifizierung in Betrieben mit Schweine- oder Geflügelhaltung. 

Der Vergleich der Einkommen zwischen Betrieben mit und ohne Diversifizierung belegt, dass diversifizierende Betriebe wettbewerbsfähig agieren. Im Schnitt weisen Betriebe mit Diversifizierung höhere Einkommen je Betrieb und je landwirtschaftlich genutzter Fläche aus. Dafür muss aber auch mehr gearbeitet werden, die Einkommen je Arbeitskraft liegen daher teilweise unter jenen ohne Diversifizierung. Diversifizierung kann demnach vor allem dann das Überleben als Haupterwerbsbetrieb sichern, wenn freie Arbeitskapazitäten vorhanden sind, anderweitige Wachstumsmöglichkeiten aber begrenzt sind.

Laut der im Rahmen der Studie durchgeführten Online-Befragung hat mehr als die Hälfte der Befragten den neuen Betriebszweig selbst aufgebaut. Nur bei Urlaub am Bauernhof hat ein größerer Anteil bereits vorhandene Aktivitäten übernommen und fortgeführt. Interessant – rund zehn Prozent starteten als Quereinsteiger. Insgesamt kann eine hohe Zufriedenheit attestiert werden, denn 23 % der Befragten sind damit sehr, 47 % eher zufrieden.

Bürokratie und Arbeit sind Hemmschuhe

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© Quelle: Kirner 2018 / Motivation, Qualifikation und Interesse für Kunden: Wo diese Faktoren gegeben sind, stellt sich bei Diversifizierung auch der Erfolg ein.
Zu den größten Herausforderungen in der Diversifizierung zählen Vorschriften und Bürokratie (für 50 % voll zutreffend), hoher Zeitaufwand und Arbeitsbelastung (39 %), verlässliches Personal zu finden (29 %), Wirtschaftlichkeit (21 %) und Kundinnen bzw. Kunden zu finden und zu binden (20 %).

Zentrale Erfolgsfaktoren in der Diversifizierung liegen im Bereich „persönliche und soziale Faktoren“. Um erfolgreich zu sein, braucht es eine Kombination insbesondere folgender Faktoren (siehe Grafik): Motivation, Interesse und Freude, Kontaktfreudigkeit, Interesse für Kundinnen und Kunden, Ausbildung und eigene Fähigkeiten, Ausdauer und Durchhaltevermögen sowie Zusammenhalt in der Familie.

Fast jeder Dritte bäuerliche Betrieb möchte die Diversifizierung in den kommenden Jahren ausbauen. Neueinstiege in die Diversifizierung werden von den im Rahmen der Studie Befragten, die noch keine Diversifizierung betreiben, weniger angestrebt. Aber, wer weiß ...

Die Studie

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Wissenschaftliche Grundlagen zur Diversifizierung in Österreich sind bis dato nur spärlich vorhanden, daher beauftragten das Ländliche Fortbildungsinstitut und die Arge Bäuerinnen Österreich die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien unter Federführung von Leopold Kirner mit der nun vorliegenden Studie. Die Autoren haben in der Arbeit zunächst den Begriff Diversifizierung definiert und abgegrenzt. Im zweiten Schritt wurde die wirtschaftliche Relevanz der Diversifizierung erhoben. Basis dafür waren die Buchführungsbetriebe im Rahmen des Grünen Berichts. Schließlich wurden bäuerliche Betriebe zur Diversifizierung im Rahmen einer Online-Erhebung befragt. Im Zeitraum von Mai bis Juni 2017 gingen Antworten von 6.104 Betrieben aus ganz Österreich ein, darunter 2.424 Betriebe (knapp 40 %) mit Diversifizierung. Die Befragung ist umfangreich, im statistischen Sinn aber nicht repräsentativ, weil die Antworten eher von größeren Betrieben stammen. Im Volltext verfügbar ist die Studie Partnerschaftliche Lebens- und Betriebsführung/ „Diversifizierung“ im Internet unter www.baeuerinnen.at
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